Geplanter Sex kann sexy sein
In einem Therapiegespräch in meiner Praxis, berichtet ein Paar, dass nach der Geburt ihres ersten Kindes der Sex aus ihrer Beziehung völlig verschwunden sei und sich trotz ihrer Enttäuschung und vereinzelter Bemühungen keine Verbesserung abzeichne. Die Frau habe ihrem Mann schließlich vorgeschlagen, dass geplanter Sex die Lösung sein könnte. Seine Antwort per SMS war: Kalender-Emoji + Auberginen-Emoji + Grabstein-Emoji.
Mit anderen Worten, er hat die Idee glatt abgelehnt. Ein solcher Widerstand gegen das Konzept von geplantem Sex ist nicht ungewöhnlich. Vermutlich käme wohl niemand auf die Idee, dass die Planung eines Fußballspiels dem Vergnügen am Fußballspiel abträglich wäre.
Offensichtlich hat sich in den Köpfen vieler Paare festgesetzt, dass Sex „natürlich“ sein sollte, er sollte einfach passieren, sollte einfach aus dem Nichts kommen, uns umhüllen und die Steuerung übernehmen.
Die bekannte Paartherapeutin Esther Perel widerspricht dem entschieden: „Wenn Sie glauben, dass Verlangen einfach etwas ist, das sich von selbst aufrechterhält – spontan, unaufgefordert passiert –, werden Sie desillusioniert sein“, sagt sie. „Guter Sex über einen längeren Zeitraum ist geplant. Er ist willentlich, bewusst, absichtlich.“
Nun bedeutet die Entscheidung für Sex-Dating aber nicht, wie manche Paare befürchten, dass Ihre Beziehung nun gestört ist. Im Gegenteil, Esther Perel sagt, wenn ein Paar sich so viel Zeit füreinander nimmt, zeigt dies ein vielversprechendes Maß an Fürsorge für die Beziehung. „Das Sex-Date verleiht Bedeutung. Es zeigt, dass es wichtig ist. Es zeigt, dass wir nicht warten, bis wir richtig in Stimmung sind. Es zeigt, dass wir uns treffen und uns nicht nur für ein oberflächliches Zusammenkommen treffen“. Sie sagt aber auch, dass es Mühe und Voraussicht erfordert, aus einer geplanten Aufgabe, selbst einer sexuellen, mehr als ein „oberflächliches Treffen“ zu machen. Sexy Sex-Dates passieren nicht einfach so, und ihr Rat, wie man etwas Routinemäßiges in ein erotisches Erlebnis verwandeln kann, geht weit über Dessous und Kerzen hinaus.
Ihr Konzept besteht aus vier Schritten.
Schritt eins: Vorfreude aufbauen
Zunächst einmal könnten Paare versuchen, eine Atmosphäre der Vorfreude rund um das geplante Rendezvous zu schaffen. Da dies nicht selbstverständlich ist, ist nach Ester Perel ein besonderes Vorspiel erforderlich, was viel mehr ist als ein paar Augenblicke des körperlichen Aufwärmens vor dem Geschlechtsverkehr. „Das Vorspiel beginnt eigentlich am Ende Ihres vorherigen Orgasmus“.
Vorspiel in diesem Sinn ist alles, was „eine Veränderung unserer Denkweise bewirkt und die Bereitschaft dazu signalisiert“. Es geht um Flirten, sexuelle Spannung, Verspieltheit – das Schaffen einer Stimmung zwischen Ihnen und Ihr(em)*rer Partner*in. „Die Leute denken, sie können der anderen Person den Rücken kraulen und sie wird heiß und erregt. Aber können Sie noch ein bisschen mehr tun? Können Sie mich verführen? Können Sie mit mir spielen? Können Sie mir eine kleine Nachricht schicken?“ (Esther Perel)
Wenn es hilfreich ist, kann man sich Dinge vorstellen, die man für eine*n Liebhaber*in statt für eine*n Partner*in tun würden. „[Mit einem Liebhaber] sind Sie in eine Handlung verwickelt. Sie schreiben eine Geschichte. Sie hat Stimmungen, sie hat Bilder. Sie hat eine ganze Welt“, sagt sie. Und wenn einem das zu viel wird, – Sie müssen es ja nicht übertreiben. Kleine Gesten wie eine kokette SMS oder ein kleines sexy Geschenk können schon ausreichen. Der Schlüssel ist, beide Partner*innen für das geplante Vorhaben zu begeistern, so dass es sich weniger wie eine To-do-Liste anfühlt, sondern eher wie ein „Ich kann es kaum erwarten, es mit dir zu tun“.
Schritt zwei: Rituale entwerfen
Als nächstes ist es wichtig, das Sex-Date mit Ritualen zu „durchdringen“. Dies signalisiert einander, dass das Ereignis einzigartig und besonders ist. „Routinen schaffen Beständigkeit, aber das Ritual verleiht der Routine Kreativität und Absicht“ (Ester Perel).
Ihre Rituale können alles Mögliche sein und müssen nicht kompliziert sein, nur beständig. So können Sie zum Beispiel immer Ihre Lieblingsflasche Wein öffnen oder eine bestimmte Musik-Playlist abspielen. „Es ist eine kleine Sache“, sagt Perel.
Rituale können auch so gestaltet werden, dass sie Ihnen helfen, vom Betreuungsmodus oder Karrieremodus oder was auch immer Ihr täglicher Standardmodus sein mag, umzuschalten, damit Sie Ihr erotisches, lebendigstes Selbst anzapfen können. Für frischgebackene Eltern zum Beispiel, könnte das Ritual eine Dusche, eine Massage oder „alles, was die Frau hinter der Mutter hervorholt“ beinhalten.
Schritt 3: Stellen Sie sich diese Frage
Um sich noch besser auf Ihr Date vorzubereiten, kann es hilfreich sein, sich Esther Perels Lieblingsfrage zu stellen: „Was törnt dich ab?“
„Die Menschen werden sagen: Ich bin abgetörnt, wenn ich besorgt bin, wenn ich mir wegen Geld Sorgen mache, wenn ich das Gefühl habe, dass ich bei der Arbeit nicht gut bin… Das hat an sich nicht viel mit Sex zu tun. Es hat mit dem Leben zu tun. … Die Antworten auf diese Frage helfen Ihnen zu verstehen, was Sie vor der Tür lassen sollten.
Auf der anderen Seite kann es auch hilfreich sein, sich zu fragen, was macht mich an, was hilft mir, mich präsent und lebendig zu fühlen. Das ist nicht dasselbe wie … „Du machst mich an, wenn…“. Vielmehr geht es darum, sich das eigene Bedürfnis bewusst zu machen. Die Frage ist also: Wie finden Sie zu sich selbst Zugang? Wie geben Sie sich selbst die Erlaubnis? Wie machen Sie sich präsent?“
Ohne diese Informationen, sagt Esther Perel, können Sie Ihrem Gegenüber zwar sagen, was für Sie funktioniert, aber es wird wahrscheinlich nicht funktionieren. Sie sind nicht präsent. Der Schlüssel liegt auch hier darin, an kleinere, leichter erreichbare Dinge zu denken, die Sie für Ihr Date in eine erotischere Stimmung versetzen.
Schritt 4: Verstehen, wie Begehren entsteht
Obwohl das Begehren komplex ist, bietet Esther Perel eine Art Rezept an, das „Neugier plus Abenteuer“ lautet. Neugier, sagt sie, hilft, das weniger sexy Gefühl der Vertrautheit abzumildern. Neugier ist ein wichtiger Bestandteil der Erotik. Man fragt sich: „Wer ist diese Person? Was denkt sie? Wie erlebt sie Dinge? Wie schmeckt ihr der Kaffee?“ Diese Neugier stirbt oft, wenn zwei Menschen gemeinsam einen Ort der Sicherheit und Geborgenheit betreten. Esther Perel sagt, dass das Wiederentdecken dieser Neugier Ihnen helfen kann, die Leidenschaft füreinander wiederzuentdecken. „Das Bedürfnis nach Vertrautheit ist absolut da, aber es darf nicht auf Kosten der Entdeckung, der Erforschung gehen“, sagt Esther Perel.
Obwohl man vielleicht denkt, man wüsste alles über seine*n Partner*in, ist das eine Illusion. „Wir müssen das Geheimnis, … nicht erschaffen“, sagt sie. „Es liegt direkt vor uns – wir müssen uns nur darauf einlassen.“
Abenteuer ist ein ähnliches Konzept, denn es geht auch darum, sich als Paar von Vertrautem zu lösen und aus der eigenen Komfortzone herauszutreten. „Wenn Sie Dinge tun, die Ihnen Spaß machen und die Ihnen vertraut sind, dann haben Sie eine gute Freundschaft, Beständigkeit und Verlässlichkeit. Das bringt Kuscheln, nicht Prickeln“, sagt Esther Perel. „Wenn Sie Prickeln wollen, müssen Sie aktiv werden und gemeinsam Dinge erschaffen, gemeinsam neue Dinge erleben, sich selbst anders erleben, als Sie sich normalerweise in der Gegenwart dieses Menschen erleben.“
Für Esther Perel muss Abenteuer nicht gleich die Form einer offenen Beziehung annehmen. Sie beschreibt es stattdessen als eine Kombination aus Neuem und Verspieltheit. „Neues schafft Unsicherheit, und die Schaffung von Unsicherheit inmitten von Vertrautheit ist unschlagbar“, sagt sie. Was bedeutet das also? Es geht nicht um große Produktionen.
Tun Sie einfach etwas, was Sie noch nie zusammen getan haben!