Reden wir über den Sex, den Sie nicht haben • Dr. Frey
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Reden wir über den Sex, den Sie nicht haben

„Wir führen eine sexlose Ehe. Ich ziehe mich im begehbaren Kleiderschrank um, während er sich im Badezimmer umzieht. Wir haben uns seit über zwanzig Jahren nicht mehr nackt gesehen. Aber wir wollen nicht aufgeben. Sie sind unsere letzte Chance. Können Sie uns helfen?“ So schildert die Sexualtherapeutin Cheryl Fraser das Problem von Norm und Sherry, eines Paares, das in ihrer Praxis nach Hilfe sucht.
Und das Erste, was Sie ihnen sagt, ist: „Sie sind normal. Sie sind normal, wenn Sie in einer Langzeitbeziehung sind – und damit meine ich, Sie sind mehr als eine Handvoll Jahre zusammen – und es ist normal, wenn Sie mit einigen Aspekten Ihres sinnlichen Verlangens und Ihres Sexuallebens kämpfen.“

Was sind die Gründe für den nicht mehr stattfindenden Sex?

  • Das sexuelle Verlangen fehlt. Einer/eine möchte Sex, der/die andere nicht.
  • Beide haben selten (oder nie) Sex. Ungefähr 30 % der Paare leben in einer Beziehung ohne oder mit wenig Sex, das heißt, sie haben weniger als sechs Mal im Jahr Sex oder überhaupt keinen.
  • Es gibt Schwierigkeiten mit der sexuellen Erregung. Selbst wenn sie gerne Sex hätten, scheint ihr Körper nicht in die Erregung zu kommen.
  • Sie haben Sex und es ist … „okay“. Es gibt allerdings viel weniger Leidenschaft und Ideenreichtum als früher. Sie vermissen den Funken, wissen aber nicht, wie sie ihn wieder anfachen können.
  • Sie haben in den meisten anderen Bereichen eine gute Beziehung aufgebaut. Sie sind gute Freunde und großartige Eltern, aber sie haben die Anziehungskraft für einander verloren und das Interesse daran, auch ein Liebespaar zu sein.
  • Sie versuchen – manchmal jahrelang –, sexuelle Veränderungen gemeinsam anzugehen, aber am Ende endet es häufig mit Enttäuschungen oder gar Verletzungen.

Was können Paare also tun, um ihr Intimleben zu verbessern? Ceryl Fraser hat aus ihrer klinischen Arbeit heraus drei entscheidende Kernbereiche definiert. Sie nennt es das „Dreiecksmodell der Leidenschaft“.

Das Dreiecksmodell der Leidenschaft

  • Intimität: Dazu gehören Nähe, eine gute Kommunikation und eine erfolgreiche Streitkultur, Freundschaft und Loyalität.
  • Spannung: Dazu gehört, mit dem Partner/der Partnerin auszugehen, Romantik zu schaffen, seinen Lieblingsmenschen hin und wieder mit Neuem zu überraschen, Wertschätzung zu teilen und sich zu bemühen, den Partner/die Partnerin als die einzigartige und erstaunliche Person zu behandeln, die er/sie ist.
  • Sinnlichkeit : Dazu gehört das gesamte Spektrum an Berührung und Erotik, vom Händchenhalten bis zu leidenschaftlicher Liebe und allem dazwischen. Sinnlichkeit ist die eine besondere und schöne Aktivität, die unsere romantische Beziehung von unseren anderen tiefen Freundschaften und Familienbeziehungen unterscheidet.

„Eine großartige romantische Beziehung ist Freundschaft plus Nacktheit. Schließlich können wir viele unserer Bedürfnisse nach Intimität und Spannung in unseren engsten Freundschaften befriedigen. Aber nicht den nackten Teil.“ sagt Cheryl Fraser.

Wie kann es also gelingen, Ihr Liebesleben wieder anzukurbeln?

  1. Sprechen Sie liebevoll über den Sex, den Sie nicht haben

Seien wir ehrlich – es ist nicht einfach, über derart schwierige Dinge zu sprechen. Üben Sie also Ihre Kommunikationsfähigkeit bei schwierigen Themen zuerst außerhalb des Schlafzimmers. Verbessern Sie Ihr vorurteilsfreies Zuhören und achten Sie darauf, empathisch zu reagieren. Schließlich ist Sex ein heikles Thema. Und denken Sie daran, dass das Leidenschaftsdreieck drei Seiten hat. Paare müssen zuerst mehr Vertrauen, Nähe und Romantik aufbauen, wenn sie ihr sinnliches Leben verbessern wollen.

Charyl Fraser berichtet hierzu : „Lassen Sie mich Ihnen von Karen und Howard erzählen, ein weiteres Paar, mit dem ich gearbeitet habe. Vor zwei Jahren reichte Howard die Scheidung ein. Es kam abrupt und für Karen völlig aus heiterem Himmel. „Ich habe zwei Tage lang ununterbrochen geweint“, berichtet sie. „Dann sagte ich ihm, dass ich uns nicht aufgeben würde und bat ihn, sechs Monate lang an unserer Ehe zu arbeiten.“ … Howard erzählt: „Als ich die Scheidung einreichte, hatte ich meine Ehe komplett abgeschrieben. Mein größtes Problem war der Mangel an Sex. Was mir nicht klar war, war, dass wir viele andere Probleme hatten. Wir wussten nicht, wie wir miteinander reden sollten. Wir hatten keinen Spaß. Unsere Intimität und die erotische Spannung waren miserabel. Erst als wir (in einer Therapie) an diesen Dingen arbeiteten, erkannten wir, wie wir in allen drei Bereichen vorankommen konnten – einschließlich der Sexualität. Jetzt sind wir glücklicher als seit vielen, vielen Jahren. Und ja, wir lieben uns wieder!“

  1. Planen Sie die Schritte von keinem Sex zu sinnlichem Sex
    oder von langweiligem zu spannendem Sex

Wenn Sie in einer sexlosen Beziehung sind, kann dies Angst machen. Aber die Idee ist nicht, von `keinem Sex` plötzlich wieder in sexuelle Aktivität einzusteigen. Schließlich kämpfen Sie ja aus triftigen Gründen mit Ihrer nicht gelingenden Sinnlichkeit. Stattdessen machen die Paare unter Anleitung kleine und nicht zwingend sexuelle Schritte in die Richtung zu mehr Sinnlichkeit. In der Therapie beginnt man dort, wo das Paar aktuell steht.

Erinnern Sie sich an Norm und Sherry (den Fall von Cheryl Fraser), die seit Jahrzehnten keinen Sex mehr hatten? Sie fingen an, indem sie angezogen kuschelten. Dann probierten sie das Küssen aus. Dann nahmen sie zusammen ein Bad – aber sie ließen das Licht aus und zündeten nur eine Kerze an, weil sie nervös waren, einander wieder nackt zu sehen. Sie erzählten: „Wir haben das Programm befolgt und jetzt lieben wir uns wieder. Und was noch wichtiger ist: Wir laufen nackt im Haus herum und geben uns gegenseitig einen Klaps auf den Hintern!“
Natürlich brauchte diese Umstellung Zeit, Geduld, Motivation und ein Umgehenkönnen mit Verletzlichkeit – aber die Geschichte von Norm und Sherry zeigt uns, dass es möglich ist, die Sinnlichkeit in die Paarbeziehung zurückzuholen.

Für den Rest von Ihnen, der Liebe macht: Wie ist denn die Qualität Ihres Sexlebens? Haben Sie eine Routine: Ich berühre sie dort, sie berührt mich hier, im Idealfall kommen wir zum Orgasmus und es ist einfach … okay? Laut wissenschaftlicher Studien dauert ein durchschnittlicher sexueller Akt sieben Minuten und zwar vom Anstupsen bis zum Schnarchen. Auch wenn man ein Fan des Quickies ist, sollte man darüber nachdenken, ob man nicht doch im Laufe der Zeit im Bett faul und einfallslos geworden ist. Sollte das der Fall sein, dann liegt es in Ihrer Hand, neue Schritte zu kreativerem, freudvollerem oder pikanterem Sex zu entwickeln.

  1. Planen Sie sinnliche Verabredungen

Wir TherapeutInnen kennen die Schwierigkeit, unsere Paare zu geplantem Sex einzuladen. Oft steckt in den Köpfen das Idealmodell der spontanen Sexualität als einzig anzustrebender Weg zu schöner Sexualität. „Darf ich ehrlich sein? Wenn Sie warten, bis Sie Lust auf Sex haben und bevor Sie dann den Schritt machen, sich gegenseitig ansprechen, kann das sehr lange dauern. … (Es) gibt zwei Arten von sexuellem Verlangen, spontanes und reaktives. Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Freude des spontanen Verlangens: Ich fühle mich erregt, du fühlst dich erregt und wir können es kaum erwarten, uns gemeinsam auszuziehen… Leider kann dieses einfache und starke gegenseitige Verlangen mit der Zeit abnehmen oder ganz verschwinden. Anstatt uns also auf diese scheinbar leichte und schnelle Erregung zu verlassen, müssen wir Rahmenbedingungen schaffen und uns Mühe geben, Liebe zu machen, auch wenn uns in diesem Moment nicht danach ist. Natürlich spreche ich nicht davon, Sex zu haben, wenn es sich für Sie nicht richtig anfühlt.Respektieren Sie Ihre eigenen psychologischen und sexuellen Grenzen. Ich spreche davon, Ihr sinnliches Leben zur Priorität zu machen und sich dafür zu entscheiden, ein sinnliches Date zu vereinbaren. Bei diesem Date erkunden Sie einen der Schritte, die Sie beide als Teil Ihrer sinnlichen (Land)Karte gewählt haben.“ (Cheryl Fraser)

Sexualität ist wichtig. Sie mag nur ein kleiner Teil des Lebens eines Paares sein, aber sie ist sehr wertvoll. Schließlich bedeutet Libido „Lebenskraft“. Liebe mit dem Menschen zu machen, den man liebt, ist ein wunderschöner Teil des Lebens. Es verbindet uns emotional und sogar spirituell. Es kann uns dazu bringen, verspielt, fröhlich und lustvoll zu sein. Es kann gelingen, die Anforderungen des täglichen Lebens loszulassen und gemeinsam in Liebe und Vergnügen zu verschmelzen. Also fangen Sie an, über den Sex zu sprechen, den Sie nicht haben, auf liebevolle Art und immer wieder!